Die Prothesentechnik hat in den letzten Jahren starke Fortschritte gemacht.
Jede Amputationsart und Stumpfform kann mittlerweile sehr gut mit Prothesen versorgt werden. Prothesen imitieren den natürlichen Gang, werden immer sicherer, einfacher zu bedienen und bequemer.
Prothesen werden heutzutage in Modularbauweise, auch Rohrskelett genannt, gebaut, die nach dem menschlichen Vorbild nachempfunden sind.
Die tragenden Elemente bestehen aus Rohren, Adaptern und Modulen die beliebig miteinander verbunden werden. Diese Bauweise ermöglicht unterschiedliche Passteile auszuwählen und miteinander zu kombinieren. Somit kann eine individuelle und schnelle Anpassung am Amputierten erfolgen.
Zudem können auch nach Fertigstellung der Prothese z.B. Fußpassteile ausgewechselt und neu justiert werden.
Nach fertiger Einstellung wird dieses Rohrskelett mit unterschiedlichen Kunststoffen kosmetisch verkleidet und dem natürlichen Erscheinungsbild angepasst.
Der Schaft stellt die Verbindung zwischen Prothese und dem menschlichen Körper her. Nur ein Schaft der auch gut passt und gut am Stumpf haftet, einen hohen Tragekomfort, sich einfach an und ausziehen lässt, ermöglicht eine optimale Prothesenversorgung.
Die unterschiedlichen Anforderungen an den Schaft können mit verschiedenen Materialien erreicht werden. So werden moderne Schäfte oft aus verschiedenen Kunststoffen hergestellt. Diese bewirken Stabilität aber auch angenehme Polsterung und Flexibilität an den richtigen stellen.
Nur ein gut und genau angepasster Schaft, sorgt für eine gute Durchblutung und lymphatische Zirkulation im Stumpf.
Bei Amputationen im Fußbereich reichen oft gut angepasste Einlagen mit einem Ausgleich des fehlenden Fußteils aus. Um einen kosmetischen Ausgleich zu schaffen, werden Silikonprothesen angepasst, die der natürlichen Form sehr ähneln.
Wurde hingegen der gesamte Fuß entfernt, muss ein Schaft gefertigt werden, der bis zum Knie reicht und die Kräfte besser verteilt die beim Abrollen entstehen. Der Fuß wird dann mit einem Prothesenfuß ersetzt und übernimmt die Funktion des natürlichen Fußes. Die Wahl des passenden Fußes hängt von der Amputationstechnik ab.
Es stehen grundsätzlich 3 Möglichkeiten für die Versorgung mit einer Unterschenkelprothese zur Verfügung
1. mittels Silikonliner und der dazugehörigen Anbindungen
In den letzten Jahren hat sich diese Technik mehr und mehr durchgesetzt.
Es wird hierbei ein eng anliegender Strumpf aus Silikon, Polyurethan oder Copolymeren über den Unterschenkelstumpf gerollt oder gezogen, der sich Liner nennt.
Dieser haftet sehr stark auf der Haut.
Da es mehrere Möglichkeiten der Anbindung an die Prothese gibt, sind auch unterschiedliche Linermodelle zu haben.
1.1 Mit Hilfe eines Pin und Shuttle-Lock (Sperreinheit für einen Stift der am unteren Ende des Liners in ein eingearbeitetes Gewinde eingeschraubt wird)
1.2 Mit Hilfe einer Einziehkordel die ebenfalls am Ende des Liners befestigt wird
1.3 Mit einem Seal-In-Liner der ein Vakuum unterhalb seiner Dichtlippen am Liner erzeugt.
1.4 Über eine Kniekappe aus Silikon die ein geschlossenes System herstellt
2. mittels Weichwandinntrichter und Kondylenklammer nach KBM (Kondylenbettung Münster)
Diese Prothese besteht aus einem Schaft aus Carbon und einem aus weichem Material gefertigten Innenschaft, der den Prothesenschaft mit dem Stumpf verbindet.
Der Schaft verklammert sich durch eine sogenannte Kondylenspange des Innenschaftes oberhalb der größten Kniebreite (Kondylen) am Bein. Die Prothese wird so am Stumpf fixiert. Der Stumpf sollte im Schaft einen Vollkontakt haben, jedoch kann unter gewissen Umständen am Stumpfende etwas Freiraum gelassen werden.
3. mittels einer Oberhülse, die mit Gelenksystemen an dem Schaft angebracht ist.
Hier wird der Stumpf in einem Unterschenkelschaft eingebettet, der das Stumpfende umfasst. Am Schaft werden zusätzlich Gelenke befestigt die mittels Schienen an der Oberhülse angebracht sind.
Durch diese zusätzliche Ableitung am Oberschenkel wird das Knie entlastet.
Diese Prothesenversorgung wird heutzutage nur noch selten eingesetzt. Jedoch kommt eine Oberhülse immer dann zum Einsatz wenn schwierige Stumpfverhältnisse herrschen. z.B. bei sehr kurzen Stumpfverhältnissen, bei Kniegelenksbeschwerden oder bei Stümpfen die aufgrund schlechter Hautbeschaffenheit keinen oder nur sehr wenig Druck vertragen.
Der Vorteil dieser Prothese ist aber auch gleichzeitig ihr Nachteil: der Stumpf wird nur wenig belastet und die Kräfte werden bei Belastung auf den Oberschenkel übertragen.
Dadurch kann es zu Einschnürungen am Oberschenkel kommen, was zu einem schwinden der Muskulatur führt. Es können auch Stauungen im Stumpf, Druck und Scheuerstellen entstehen, die durch die ungleiche Bewegung von mechanischen und anatomischen Drehpunkt entstehen.
Im Vergleich zu einer Unterschenkelamputation kommt wegen der fehlenden Funktion des Knies ein weiteres Passteil hinzu: das mechanische Kniegelenk.
Es gibt zwei Varianten der Schaftversorgung: Der Weichwandinnentrichter mit einem Außenschaft aus Gießharz und die Lineranbindung mittels Vakuum oder Kordeleinzug.
Die Gelenkkonstruktion für so eine Prothesenart sollte so gewählt werden, dass sich der Unterschenkel in der Schwungphase verkürzt und die Mechanik sich beim Beugen hinter den Schaft verlagert, damit sich der Oberschenkel nicht zusätzlich verlängert.
Die Vorteile gegenüber einer Oberschenkelamputation sind: ein langer Hebelarm, die Stumpfendbelastbarkeit und die Muskuläre Situation.
Eine sehr kurze Unterschenkelamputation ist immer besser als eine Knieexamputation aber eine Knieexamputation ist immer einer Oberschenkelamputation vorzuziehen.
Bei einer Oberschenkelamputation ist keine Endbelastung am knöchernen Ende möglich!
Durch eine Verkürzung des Oberschenkelknochens wird die Hebellänge verändert, was auch das Muskuläre Gleichgewicht beeinflusst und zu Fehlstellungen sowie Einschränkungen der Gelenkbeweglichkeit führt.
Das Körpergewicht wird zum größten Teil über das Sitzbein auf die Prothese übertragen! Der Prothesenanwender muss sich zuerst an dieses Gefühl gewöhnen. Auch die Haut muss sich der neue Belastung anpassen.
Um den Schaft anziehen zu können, gibt es unterschiedliche Hilfen, z.B. feine Nylonstrümpfe mit angenähten Kordeln, speziell abgenähte Fallschirmseide oder auch nur über einen Perlonschlauch. Diese Hilfsmittel werden benötigt, um auch alle Weichteile im Schaft einbetten zu können.
Auch die Linertechnik mit ihren unterschiedlichen Anbindungen kommt oft zum Einsatz, was gerade bei älteren Anwendern das Anlegen der Prothese erleichtert.
Der Schaft besteht aus einem weichen Innenschaft der sich in bestimmten Arealen dem Körper anpasst und einem harten Außenschaft der aus Carbon gefertigt wird.
Es kommen unterschiedliche Schaftformen zum Einsatz:
• Sitzbeinunterstützender Schaft (Querovaler Schaft)
Das Sitzbein befindet sich bei der Querovalen Form auf der so genannten Tuberbank. Hier wird der größte Teil der Belastung abgefangen (Tuber-Abstützung). Damit das Sitzbein nicht von der Tuber-Bank nach innen des Schaftes gleitet, liegt gegenüber die Frontalpelotte für den vorderen Gegenhalt.
Der Rest des Stumpfes wird gleichmäßig im Schaft komprimiert und hat auch zum Schaftboden Kontakt.
Diese Form eignet sich gerade bei Interimsprothesen sehr gut, da der Stumpf sich in der Zeit nach der Amputation sehr verändert und sich Volumensänderungen besser ausgleichen lassen.
Durch die Anordnung der Frontalpelotten kann es zu einer Einengung des Gefäßbündels kommen. Die Verdrängung der Muskulatur durch den Tuber-Sitz und seine beckenkippende Wirkung aufgrund der Lage hinter dem Hüftgelenk sind als Nebenwirkung zu nennen.
Dieser Schaft ist „sitzbeinunterstützend“.
Durch die Längsovale Form wird zum einen die Anatomische Lage der Muskulatur nicht verändert, das Köpergewicht wird von der gesamten Oberfläche des Stumpfes getragen, das Sitzbein wird von hinten innen umschlossen und daher kein Aufsitzen am Knochen.
Das frontal gelegene Gefäßbündel wird druckentlastet und die gesamten Weichteile übernehmen hydrostatische Lastübertragungsfunktion. Die dorso-medialen Anteile des Sitzbeinastes werden mit umfasst und das Tuber ossis ischii wird eingebettet und nicht abgestützt, was ein wegkippen nach außen verhindert.
Die Kontrolle über die Prothese wird deutlich verbessert, die Durchblutung nicht eingeschränkt und der unangenehme Druck durch die fordere Pelotte entfällt.
Dieser Schaft ist sitzbeinumgreifend.
• M.A.S.-Schaft (benannt nach dem Entwickler Marlo Ortiz)
Die Abkürzung bedeutet: MARLO ANATOMICAL SOCKET
Auch bei dieser Schaftform erfolgt die Lastenaufnahme über den Stumpf. Durch eine 2-fingergroße Pelotte am inneren Sitzbeinast und die knöcherne sowie muskuläre Verspannung, ermöglicht dieser Schaft einen größeren Bewegungsspielraum im Hüftgelenk, eine bessere Steuerung der Prothese, der Schaftrand fällt tiefer aus und der Anwender kann durch den sehr tief ausgeschnittenen hinteren Schaftrand auf seinem Pomuskel sitzen.
Bei dieser Schaftform kommt es auf eine sehr genaue Anpassung an, weshalb im Vergleich zu den anderen Schaftformen, mehrere Testschäfte benötigt werden.
Die Anbindung an den Stumpf ist mit aber auch ohne Liner möglich.
Nach einer Hüftamputation muss ein weiteres Gelenk ersetzt werden, das Hüftgelenk. Es werden somit 3 Gelenke ersetzt, was den gesamten Bewegungsablauf nochmals schwieriger gestaltet. Ein Beckenkorb umfasst zu einem großen Teil das Becken, daran wird das Hüftgelenk, Kniegelenk und der Fuß über verschiedene Passteile befestigt.
Durch das Zurückdrehen des Beckens wir die Schwungphase eingeleitet. Das Gehen erfordert einen hohen Kraftaufwand und stellt hohe Anforderungen an das Gleichgewicht dar.
Bei der Osseointegration wird die Prothesenversorgung über einem im Knochen implantierten Metallstift befestigt. Der Befestigungsstift ragt durch die Haut am Stumpfende, woran die jeweiligen Passteile befestigt werden. Noch gehört sie nicht zum Standard in der Prothesenversorgung, denn an der Austrittsstelle des Metallstiftes ist die Infektionsgefahr zu hoch aber auch die Dauerbelastung des Knochens stellen heute noch Probleme dar. Es gibt bereits ca. 100 Anwender die mit diesem Verfahren Versorgt sind.
Eine solche Prothese kommt fast ausschließlich dann vor, wenn ein Osteosarkom im Kniegelenk (Knochenkrebs) entfernt wird.
Nachdem das Kniegelenk entfernt wurde, wird der intakte Unterschenkel mit Fuß am Oberschenkel um 180 Grad gedreht und angebracht.
Das Sprunggelenk sitzt dann auf der Höhe des ehemaligen Kniegelenkes, wo es als solches die Funktion übernimmt. Der Fuß wird als Hebel für den Unterschenkel eingesetzt (wie ein Unterschenkelstumpf). Da das Sprunggelenk eine schwache seitliche Stabilität besitzt, muss es mit Schienen und einer Oberschenkelhülse geführt werden.
Diese Operationsart ist selten, weil nur wenige Ärzte sie anwenden können, im Klinikum Ingolstadt wird diese Operationstechnik ausgeführt.
Bei Interesse unter zum Thema Umkehrplastik nach Borggreve besteht ein Forum unter: www.umkehrplastik.de
Der Aufenthalt im Nassbereich stellt für Menschen mit Amputation eine besondere Herausforderung dar. Viele Prothesenträger sind zudem nicht darüber informiert, dass sie einen Anspruch auf eine Versorgung mit einer wasserfesten Gehhilfe haben.
Prothesen, die im Nassbereich getragen werden können, müssen jedoch an die dort herrschenden besonderen Anforderungen angepasst sein. Dazu zählen in erster Linie
Badeprothesen bestehen aus speziellen, wasserfesten Prothesenkomponenten wie Kniegelenk, Ventile, Shuttle Locks und Liner. Die Fußsohlen sind in besonderem Maße rutschgehemmt. Wenn Sie Interesse an einer Badeprothese haben, laden wir Sie gerne zu einem ersten, unverbindlichen Informationsgespräch ein.
Sportprothesen sind speziell entwickelt um den jeweiligen Herausforderungen gerecht zu werden. Es ist wichtig, die Energie, welche der Sportler in die Prothese hineingibt, nicht zu verlieren sondern für den Anwender umzuwandeln. Dafür hat die Industrie spezielle Prothesenpassteile für die verschiedensten Sportarten entwickelt.
Eine Prothese, welche zum Rennen und Sprinten gebraucht wird, muss andere Voraussetzungen erfüllen als eine Prothese zum Skifahren oder Radfahren.
Verschiedene Prothesenfüße aus Karbonfaser unterstützen hier den jeweiligen Anwender bei der Fortbewegung. Zum Sprinten braucht man jedoch andere Prothesenfüße als bei einem Langstreckenlauf, Berglauf oder wenn man Fußball , Basketball oder Tennis spielen will, oder einfach Rad fährt.
Aber am wichtigsten ist ein passender Prothesenschaft. Wenn der Schaft nicht komfortabel ist, werden sie keinen Meter gehen, egal wie gut die restlichen Komponenten sind.
Krankenkassen müssen Beinamputierten keine Sportprothese zahlen.